Ostrakon

Flagge Ägyptens

Land und Leute Ägypten

Ostrakon im Alten Ägypten
Steintafeln als nützliches Schreibmaterial im Alltag
der Ägypter

Der Begriff Ostrakon (im Plural Ostraka) stammt aus dem altgriechischen und steht für “Tonscherbe” und entstand ursprünglich aus Scherben von Tongefäßen, die man als Beschreibungsgegenstand für bildliche- und textliche Notizen verwenden konnte. Im erweiterten Sinn wurde der Begriff dieser Schreibunterlagen auch auf Kalksteinscherben übertragen und war im Alten Ägypten seit dem Neuen Reich von der 18. bis 20. Dynastie  sehr stark verbreitet.

Bild 1: Ein Ostrakon als flacher Kalksteinabschlag und nützliches Schreibmaterial für alltägliche Notizen im Neuen Reich aus der 18. Dynastie. Dieses Ostrakon enthält sogar noch ein Datum aus dem 43. Regierungsjahr von Thutmosis III. (1479 – 1425 v. Chr.) Bei dieser Notiz handelt es sich um Angaben über Steinbrucharbeiten in hieratischen Schrift einer vereinfachte Schreibschrift im Alten Ägypten, die von Anfang an neben den Hieroglyphen existierte und vielfach im Gebrauch war. Fundort liegt im Deir el-Bahari einer bedeutenden Nekropole nördlich von Theben auf der westlichen Nilseite gegenüber der Stadt Luxor. Heute befindet sich dieser Ostrakon im Ägyptischen Museum Berlin.

Die nützliche Verwendung der Ostraka im Alten Ägypten

Unter den Ostraka unterscheidet man heute Bildostraka mit künstlerischen Motiven und als Notiz für bildliche Auftragsarbeiten und  außerdem Textostraka, die eher in der Bildung mit Schule und Lehre, im Alltag und in der Verwaltung, der Regierungsarbeit mit den Gesetzen und in der Diplomatie genutzt wurden. Auf jeden Fall waren Tonscherben oder Kalksteinostraka für Notizen und bildlichen Skizzen erheblich günstiger und schneller zu beschaffen, als das wersentlich wertvollere Papyrus, dass letztendlich mehr für bedeutendere Dokumente mit bleibenden Wert genutzt wurde.
Eine schier unerschöpfliche Quelle genutzter Ostraka fand man im Deir el-Medina, einer Arbeitersiedlung die unweit der berühmtesten Nekropolen Ägyptens lund nahe am Tal der Könige, dem Tal der Königinnen sowie der Adligen auf der westlichen Nilseite gelegen ist. Diese Siedlung der Werktätigen hatte ihre Blütezeit im Neuen Reich und beherbergte überwiegend all die Menschen die am Bau und der Gestaltung der Gräber verantwortlich waren. Hier lebten u.a. die Steinmätze, Nekropolenschreiber, Stukkateure, Vorzeichner und Kunstmaler. In diesem Arbeiterdorf fand man auch die berühmtesten Ostraka mit einem politischen Inhalt, denn im 29. Regierungsjahr von Ramses III. fand hier der erste  historisch belegte Streik wegen ausbleibender Löhne statt und die Forderungen waren auf Ostraka festgehalten worden.
In unmittelbarer Nähe zur Arbeitersiedlung fand man einen  seltsamen und vermutlich nicht fertiggestellen quadratischen Schacht mit einer Tiefe von knapp 52 Meter. Der ursprünglichen Verwendungszweck dieser Grube ist unter den Ägyptologen bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Für die Wissenschaft ist dieser Schacht heute aber ein riesiger Schatz, der das Zeitgeschehen und den Alltag der Menschen im Neuen Reich einzigartig dokumentiert. Man fand in der scheinbaren Abfallgrube über 20000 Ostraka mit zum Teil detaillierten Skizzen zum Bau und der Gestaltung der bedeutenden Gräber. Viele Ostraka dokumentieren aber auch das Arbeits- und Privatleben der Familien sehr genau bis hin zu Sex- und Erotikdarstellungen, die sich die einen oder anderen Zeichner vorgestellt haben.

Bild 2: Farbige Skizze auf einem Kalkstein-Ostrakon stellte einen Ägypter mit Rind dar. Fundort:  Deir. el-Medine, der Arbeitersiedlung unweit vom Tal der Könige in Theben-West aus der 19. Dynastie 1292 – 1186 v. Chr..Bild 3: Skizze einer Götterprozession auf Kalkstein aus dem Deir. el-Medina, 19. Dynastie. Bild 4: Ostrakon mit einer Skizze auf Kalkstein zeigt einen Pharao mit der Blauen Krone oder Kriegskrone (Chepresch) auf dem Thron;19. Dynastie (1192-1186); Neues Museum Berlin (wie auch Bild 2 und 3). Bild 5: Skizze auf einem Ostrakon zeigt zwei ägyptische Ringer auf einer Kalksteinplatte aus dem Neuen Reich, Luxor Museum, Ägypten. Bild 6 und 7: Kalkstein-Ostraka mit Skizzen vom Bauplan des Grabes von Ramses IX.,1128/1127 bis 1109 v. Chr. aus der 20.Dynastie im Neuen Reich, Luxor Museum, Ägypten.

Neue Ostrakafunde in Athribis

Erst kürzlich (2018) entdeckte eine ägyptisch/deutsche Forschungsgruppe in den Ruinen von Athribis einem Verwaltungszentrum des 9. oberägyptischen Gaus auf dem westlichen Nilufer unweit vom oberägyptischen Sohag über 18000 beschriebene Ostraka. Die Tempelanlage stammte aus der späten Ptolemäerzeit unter Ptolemaios XII. (1. Regierungszeit 80 – 58 v. Chr., 2. Regierungszeit 55 – 51 v. Chr.) dem Vater der berühmten Kleopatra VII. Viele der Tonscherben waren in Demotisch und Hieratisch geschrieben, der typischen Schriftform in Alten Ägypten. Demotisch war zur damaligen Zeit die gebräuchliche ägyptische Kurzschrift, die sich ab ungefähr 600 v. Chr. aus der hieratischen Schreibschrift entwickelt hat. Weitere Tonscherben zeigen auch Skizzen von Tieren, Göttern und Menschen, wahrscheinlich im Bezug zum nahegelegenen Tempel.
Für die Ägyptologen brachte dieser große Ostraka-Fund eine enorme Fülle an Informationen aus dem Alltagsleben der damaligen Ägypter. Zu der hohen Anzahl an Fundstücken zählten auch viele aus dem Bereich einer Schule. Es gibt Dokumente aus dem Ägyptisch-Unterricht bei denen die Schüler sich in der Kurzschrift und auch in der Hieroglyphenschrift übten und andere Stücke zeigten auch Matheübungen auf den Ostraka. Darüber hinaus verraten die vielen Ostraka auch Informationen aus dem Leben der Menschen. Infos aus der Verwaltung, den Steuern, Quittungen von Käufen und Listen von Speisen geben Hinweise auf die Essgewohnheiten und Ernährungstrends. Auch wenn ein Ostrakon nicht so spektakuär wirkt wie ein pharaonischer Fund von Skulpturen in Tempeln und Gräbern, so sind die Ostraka doch wichtige Informationsquellen, die uns vieles über das Leben im Alten Ägypten erzählen können.

 

Fotos: (c) Michael Kürschner (1), Christel Selke (6)