Land und Leute Ägypten
Anchesenamun
Königliche Gemahlin von Tutanchamun
Zur Person von Anchesenamun
Anchesenamun / Sie lebt für Amun (auch Anches-en-Amun) war die 3.Tochter von Amenophis IV. (Echnaton) und seiner “Großen Königlichen Gemahlin” Nofretete. Echnaton regierte von etwa 1351 bis 1334 v. Chr. und Anchesenamun wurde im 5. oder 6. Regierungsjahr des Vaters zwischen 1346 und 1345 v. Chr. mit dem Namen Anchesenpaaton (auch Anches-en-pa-Aton) geboren. Über ihre Kindheit und der Beziehung zu den Eltern ist fast nichts bekannt.
Nach dem Tod ihres Vaters Echnaton und bereits vor dem Tod seines Nachfolgers Semenchkares und dem frühen Tod der älteren Schwestern vermittelte wohl ihre Mutter Nofretete die Heirat von Anchesenpaaton mit ihrem Halbbruder Tutanchaton. Welche politische Rolle Nofretete in dieser wirren Zeit des Umbruchs hatte, ist nicht sicher belegt. Fungierte sie noch als ehemalige Mitgregentin von Echnaton (Amenophis IV.), oder war sie selbst der Pharao Semenchkare mit der knappen Regierungszeit von nur 3 Jahren. Von Pharao Semenchkare ist historisch betrachtet so gut wie nichts bekannt. Wenn Nofretete mit ihren Einfluß die Ehe von ihrer Tochter Anchesenpaaton mit Tutanchaton als Kinderehe erfolgreich ausrichtete, besaß sie viel staatliches Geschick, denn sie wollte um jeden Preis die bestehende königliche “Blutlinie” aufrechterhalten.
Nach der Krönung zum Pharao lebte das Paar noch weiterhin in der Sonnenstadt des Vaters Echnaton in Achet-Aton („Horizont des Aton“) in der Anchesenamun im Königspalast schon ihre ganze Kindheit verlebte. Etwa drei Jahre später wurde Achet-Aton als Residenzstadt völlig aufgegeben und die neue Hauptstadt wurde nach Memphis verlegt. In diese Zeit fällt auch die persönliche Umbenennung der amtierenden Königskinder. Die “Große Königliche Gemahlin” Anchesenpaaton (Sie lebt für Aton ) bekam jetzt den Namen Anchesenamun (Sie lebt für Amun) und auch ihr Ehemann Tutanchaton wurde umbenannt in Tutanchamun.
Die etwa zwei Jahre ältere Gemahlin Anchesenamun war in der Ehe mit dem jugendlichen König Tutanchamun zweimal schwanger von ihm. Das erste Kind kam als Frühgeburt im 5. Schwangerschaftsmonat nicht lebend zur Welt und ein zweites Kind kam als Totgeburt im 8. Monat. Lebend geborene Kinder gab es in dieser jungen Ehe nicht. Im Grab von Tutanchamun fand man in der Schatzkammer zwei Kindersarkophage mit den Föten von zwei Mädchen, die als Töchter von Anchesenamun angesehen werden.
Die verhältnismäßig kurze Ehe mit Tutanchamun endete für Anchesenamun im vermutlich 21. Lebensjahr mit dem plötzlich und unerwarteten Tod ihres Mannes. Die Umstände des Todes von Tutanchamun sind bis heute nicht geklärt und auch alle Gegebenheiten im Zusammenhang mit der Witwe Anchesenamun bleiben sehr geheimnisvoll und ungeklärt. Viele Spekulationen ranken um ihr Leben nach dem Tod von Tutanchamun. Es gibt Indizien, dass sie eine “Zwangs”-Ehe mit Eje dem Nachfolger eingehen mußte. Nach der Thronbesteigung von Eje verschwand Anchesenamun als königliche Witwe aus dem Blickfeld der Geschichte. Es gibt keine Schriftzeichen mehr mit ihrem Namen und auch keine bildlichen Darstellungen, es ist auch kein Grab bekannt und nach ihrer Mumie wird noch heute fieberhaft gesucht, um vielleicht auch die Umstände ihres Todes aufzuklären.
Bild 1: Doppelstatue von Tutanchamun und seiner Gemahlin Anchesenamun. Obwohl diese Statue starke Zerstörungen zeigt, gehört sie noch immer zu den am besten erhaltenen dieser Art von diesem Königspaar. Sie steht hinter dem Torpfeiler und nahe der Nordwand im Luxor-Tempel. Noch typisch für die Amarna-Zeit ist die gleichgroße Darstellung von Tutanchamun und Anchesenamun. In späteren Zeiten änderte es sich wieder und die Pharaone stellten sich wieder in mächtiger Übergröße dar. Bild 2: Ein auf Kalkstein gemaltes Relief zeigt das Königspaar Tutanchamun und Anchesenamun bei einem “Gartenspaziergang” aus Amarna um etwa 1335 v. Chr. (18. Dynastie, Neues Reich). Ägyptisches Musem Berlin Bild 3: Tutanchamun und seine “Große Königliche Gemahlin” Anchesenamun auf einem Thron aus dem Grab des Tutanchamun. Der Thronsessel muß noch aus der Amarnazeit stammen, denn viele Symbole des Aton-Kults schmücken diesen Thron. Ägyptisches Museum Kairo
Die Sorgen von Anchesenamun nach dem Tod von Tutanchamun
Nach dem frühen und sehr wahrscheinlich plötzlichen und nicht erwarteten Tod Tutanchamuns muß seine sehr junge Witwe ein Trauma erlebt haben, Anchesenamun stand als “Königliche Gemahlin” zwischen Macht und Ohnmacht. Eje als großer Berater, privat wie auch staatspolitisch des Königspaares, viel jetzt aus, denn er selbst erhob den Anspruch auf den Pharaonenthron. Anchesenamun konnte daher zu Eje kein Vertrauen mehr haben. Vielleicht ahnte sie auch, dass der alternde und machthungrige Eje auch etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hatte. Eje mußte mit Anchesenamun aber noch schonend umgehen, denn er hatte keine Legitimation auf den Thron. Er war nicht von königlichem Geblüt aus Echnatons Erblinie, aber Anchesenamun war noch am Leben und nach dem Tod von Tutanchamun auch noch das letzte Mitglied der Erblinie.
Anchesenamun muß nach dem geheimnisvollen und plötzlichen Tod ihres Mannes enorme Sorgen, wenn nicht sogar noch Ängste gehabt haben, weil es keine männliche Erbfolge gab. Wie hoch die Verzweiflung von Anchesenamun gewesen sein muß im Bezug auf Eje, kann man an einer Handlungsweise nach dem Tod ihres Mannes von ihr ablesen. Man geht davon aus, dass Anchesenamun einen außergewöhnlichen Brief an den Hethiterfürsten Šuppiluliuma I. schrieb. Das war natürlich ein absoluter Tabubruch beim größten Feind Ägyptens sehr eilig um Hilfe zu bitten. Auf Tontafeln, die man in der Türkei bei Ausgrabungen gefunden hat äußert Anchesenamun ihre große Furcht und bittet um einen hethitischen Prinzen, den sie heiraten und zum König von Ägypten machen will. In diesem als Dahamunzu-Affäre genannten Schreiben auf den Tontafeln geht folgendes hervor: “Mein Gemahl ist gestorben, einen Sohn habe ich nicht. Aber Dir so sagt man , sind die Söhne viele. Wenn du mir einen deiner Söhne geben könntest, würde er mein Gatte werden. Niemals aber werde ich einen meiner Diener nehmen und ihn zu meinem Gatten und König von Ägypten machen!…..Ich habe Angst!” (1) In diesem Brief wird die ägyptische Königin mit dem Namen Dahamunzu und ihr verstorbener Gatte Nipchururia. Mit diesen Namen gab es natürlich in Ägypten kein Königspaar, da es sich aber um eine hethitische Übersetzung handelt, geht man davon aus, bei Dahamunzu handelt es sich um Anchesenamun und bei Nipchururia um Tutanchamun. Die Hethiter wollten dieses Schreiben aus dem verfeindeten Ägypten erst gar nicht glauben und erst nach einem zweiten Brief schickten die Hethiter eine Delegation mit dem erwünschten Prinzen. Sie kam allerdings nicht bei Anchesenamun an, sie wurde bereits an der ägyptischen Grenze abgefangen und getötet. In ihrer völligen Verzweiflung unterschätzte Anchesenamun wahrscheinlich die Kontrolle der Geheimpolizei, die unter Eje perfekt ausgestattet war, aber auch den militärischen Geheimdienst unter Haremhab, Ägypten hatte zu dieser Zeit eine starkes Militär. Eje verhielt sich in dieser Angelegenheit verhältnismäßig ruhig, hatte er auch hier die Finger im Spiel ,das Ansinnen von Anchesenamun zu verhindern? Die Macht hätte er gehabt die Abgesandten der Hethiter zu ermorden ohne die Tat auf sich zu lenken. Er hatte größeres vor und brauchte die junge Königin Anchesenamun um sein Lebensziel Pharao von Ägypten zu werden umzusetzen. Für Anchesenamun war das Schicksal scheinbar besiegelt. Sie verschwand aus dem Blickfeld der Geschichte. Es gibt vermutlich nur noch ein Lebenszeichen von Anchesenamun in Form eines Siegelringes mit den beiden Kartuschen von Anchesenamun und Eje der sich heute im Archiv des Ägyptischen Museums Berlin befindet. Dieser Ring könnte ein Indiz für eine Zwangsehe sein. Das eine derartige Ehe nur dem Zweck diente, dem Eje die Legitimation für den Titel Pharao zu geben war wohl eindeutig, Denn seine angestammte und langjährige Erstfrau Tij ließ sich bestimmt nicht in die 2. Reihe versetzen und dem war auch so, denn im Grab des Eje (WV/KV 23) gibt es keinen Hinweis auf Anchesenamun, sondern nur zu Tij der “Großen königlichen Gemahlin”. Anchesenamun war allein und viel zu jung, um sich einen Machtapparat zu sichern. Ihre verängstigte Sorge schien begründet zu sein, denn sie verschwand auf mysteriöser Weise und bleibt bis zum heutigen Tag verschollen. (Stand Mai 2020)
Die Suche nach dem Grab von Anchesenamun läuft auf Hochtouren
Nach dem plötzlichen Tod von Tutanchamun, der wohl nach zahlreichen Indizen nicht eines natürlichen Todes gestorben sein kann und den folgenden Wochen der politischen Ungewissheit hatte Anchesenamun eine sehr schwierige, vielleicht auch verängstigte Zeit zu überstehen. Der Machthunger von Eje, der auch mit dem Tod von Tutanchamun in Verbindung gebracht werden kann, führte vermutlich zur Zwangsehe mit Anchesenamun. Erst durch diese Ehe war er legitimiert den Thron des Pharaos zu besteigen. Das es zu einer Ehe gekommen sein kann, belegt vermutlich ein Ring, der die Kartuschen von Anchesenamun und Eje II. zeigt. Dieser Ring, der heute im Archiv des Ägyptischen Museum Berlin liegt, ist vermutlich auch ein letzter Lebenshinweis von Anchesenamun und dokumentiert die politischen Machenschaften von Eje. Wenn die Ehe mit Eje vollzogen wurde, muß Anchesenamun im Anschluß von der Bildfläche der Geschichte verschwunden worden sein, denn als Gemahlin taucht nur noch seine langjährige Ehefrau Tij als die “Große Königliche Gemahlin” auf. Es bleibt die große geheimnisvolle Frage offen, was mit der noch sehr jungen Königin Anchesenamun geschah und ob sie auch Opfer eines Verbrechens geworden ist, ist bisher ungeklärt. Auch ein Grab, oder gar ihre Mumie ist bisher nicht gefunden worden.
Um die historischen Lebensumstände oder sogar den Tod von Anchsenamun zu klären wäre es dringend erforderlich das Grab und ihre Mumie zu finden. So ein Fund könnte von historischer Tragweite sein und eine solche Sensation, dass man vielleicht sogar mit neu entdeckten Erkenntnissen die Geschichte dieser Zeit umschreiben müßte. Wenn es nach Dr. Zahi Hawass dem ehemaligen Chef der ägyptischen Antikenverwaltung geht, haben Ägyptologen bereits damit begonnen, das geheimnisvolle Grab von Anchesenamun der Halbschwester von Tutanchamun intensiv zu suchen. Während man bei der Suche nach dem Grab ihrer Mutter Nofretete auch noch keinen Erfolg hatte, man vermutet es im Umfeld des Grabes von Tutanchamun am KV 62, geht man bei der Suche nach dem Grab ihrer Tochter Anchensamun von einer anderen Stelle aus. Dr. Zahi Hawass und ein italienisches Forscherteam glauben im Westteil des Tals der Könige auf der richtigen Spur zu sein. Unweit des Grabes von Eje WV 23, ergaben Untersuchungen und Radarmessungen Strukturen im felsigen Boden, die auf die Möglichkeit eines Grabes hinweisen könnten. Sollte man dort im West-Valley bei Ausgrabungen auf ein vermutetes Grab von Anchesenamun stoßen, wäre es die Jahrhundertsensation in der ägyptologischen Forschung, wenn man knapp 100 Jahre nach der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun auch noch das Grab seiner Ehefrau Anchesenamun entdecken könnte.
(1 ) Bob Brier: „Der Mordfall Tutanchamun“, Piper Verlag, München 2000, aus dem Englischen von Wolfgang Schuler, 351 Seiten mit 16 Seiten S/W-Abbildungen, ISBN 3-492-04159-0,
Fotos: (c) Michael Kürschner (2), Christel Selke (2)